10.000 km mit dem E-Bike - ein Erlebnisbericht
Heute ist es
soweit: ich bin mit meinem E-Bike 10.000 km gefahren. Das ist für Autos und
Motorräder nichts Besonderes, für mich auf dem E-Bike schon. Seit März 2019
fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit – so gut wie jeden Tag. Das ist jetzt auch
nichts richtig Besonderes. Viele Menschen fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit. Für
mich ist es was Besonderes: für mich ist es besonders schön. Sport ist es
nicht, aber eine schöne Bewegung. 10.000 km – ein Anlass für einen kleinen
Rückblick.
Morgens ist es
ein wunderbarer Start in den Tag. Mit mäßiger Anstrengung und 25 km/h strampele
ich über den kleinen Mühlenberg nach Bledeln. Hier biege ich die letzte Straße
rechts in Richtung Hassel ab – jetzt folgen 10 km durch die Feldmark. Das ist
zwar ein nicht ganz unerheblicher Umweg, aber es ist der deutlich schönere und
wesentlich ungefährlichere Weg, als der Weg entlang der Kreisstraße in Richtung
Ingeln. Die nun folgende knappe halbe Stunde durch die Natur in Morgenstimmung –
okay, ein großer Teil in agrarindustrieller Nutzung – ist für mich wie eine
halbe Stunde Urlaub. Hier trifft man Meister Lampe, Rotwild, Falken, Bussarde
und Milane – dem einen Federvieh wünsche ich Jagdglück, dem anderen Vierbeiner
ein flinkes Geläuf. Es ist einfach wunderbar, die Natur in den unterschiedlichen
Jahreszeiten zu erleben. Nicht nur die Temperaturen sind unterschiedlich,
sondern natürlich auch die Vegetation. Die Wildpflanzen, Hecken, aber auch die
Feldfrüchte lassen mich die Jahreszeiten noch einmal neu erleben. Insbesondere
sind es aber die Gerüche, in denen sich die Natur immer wieder unterscheidet (bis
auf die letzten beiden Schachtdeckel vor der Bergkuppe nach Bledeln: sie
stinken das ganze Jahr gleich). Wenn der Raps blüht, die Zuckerfabrik arbeitet,
der Boden im Frühjahr aufwacht – das sind die Gerüche, die ich mag. Die Gerüche
der agrarindustriellen Nutzung wie Dünger, Pestizide und Gülle hingegen sind
mir genauso unliebsam wie die Schachtdeckel zwischen Lühnde und Bledeln.
Die maßgeblichen
Herausforderungen des Wetters werden mir durch den kleinen
Mittelmotor an meinen Pedalen deutlich abgemildert. Gegenwind spielt eine
untergeordnete Rolle in der Kraftanstrengung, er treibt mir höchstens die eine
oder andere Träne über die frischen Wangen.
So manche Kröte muss ich aber dennoch schlucken. Wenn zum Beispiel, wie zu dieser Jahreszeit, die Folgen der agrarindustriellen Nutzung als guter Bördeboden auf dem Asphalt ruhen und sich gemeinsam mit dem niedersächsischen Herbstniesel zu einer braunen Patina auf Rahmen, Kette und Regenhose vereinen. Manch einer möge wohl wie auch ich anfangs denken: bei schlechtem Wetter fährt man besser kein Rad. Meine Erkenntnis ist inzwischen eine andere: wenn der Wind von vorne kalten Regen gegen die Brille treibt, werden die Gedanken klarer und die Ideen reicher. Gerade dann kann ich richtig abschalten, hier konzentriere ich mich auf das Wesentliche und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Ich bringe meine Gedanken in Bewegung. Das hilft mir für den Rest des Tages ungemein.
Im Fahrradkäfig am Laatzener Rathaus kann ich dann meine erste Regenpelle
abwerfen, bevor ich dann in meinem Büro als erstes das Fenster aufreiße, als
würde ich die Natur noch ein bisschen länger genießen wollen. Wer das Dach vom
Leinecenter kennt, weiß, dass ich da einer Illusion nachlaufe. Wie dem auch
sei: die frische Luft reicht mir dann fürs erste und in dieser Jahreszeit putze
ich das Fahrrad eben einmal öfter.
Man mag es kaum
glauben, aber morgens ist in der Feldmark gerade zwischen Müllingen und Rethen richtig
was los. Auf Höhe von Ingeln, gleich hinter der Autobahnbrücke, treffe ich
meist die erste Walking-Gruppe. Man kennt sich inzwischen, grinst, grüßt und
findet dann und wann ein freundliches Wort. Vorbei am „breiten Paul“ treffe ich
die nächsten beiden Sportsdamen auf Höhe des Waldstücks Erbenholz - die eine
mit Stöcken, die andere ohne. Jeden Morgen walken sie in beachtlichem Tempo und
quasseln unentwegt wie zwei Freundinnen, die sich monatelang nicht gesehen haben.
Dabei habe ich sie gerade erst gestern 100 Meter weiter hinten bei gleichem
Sonnenaufgang angetroffen. Auch hier wird sich inzwischen freundlich gegrüßt.
Ich habe sogar schonmal überlegt, ob ich
den Damen zu meinem Geburtstag mal einen ausgeben soll – so, wie man das eben
macht, bei regelmäßigen Bekanntschaften. Nehme ich Sekt oder O-Saft? Oder
beides?
Ob Schülerinnen
und Schüler, Pendlerinnen und Pendler oder andere Sportskanonen: viele Menschen
teilen mit mir die allmorgendliche Stimmung zwischen den Dörfern. Und zwar auch
zu jeder Jahreszeit. Gut so, die wissen also auch was gut ist. Na klar: in
Frühling und Sommer sind es noch ein paar mehr Menschen, die die Natur als
Arbeitsweg zu schätzen wissen. Aber auch, wenn es auf dem ersten Blick meteorologisch
gesehen, ungemütlich ist, gibt es Menschen, die meine neue Leidenschaft teilen.
Ach ja: das Schöne
an meinem Arbeitsweg ist auch, dass ich ihn zweimal am Tag habe. Wenn es im
Büro mal wieder hektisch wird, hält mich der Gedanke an den baldigen Feierabend
und die damit verbundene Fahrradtour in meiner guten Laune (sollte sie trotzdem
mal schlecht sein, entschuldige ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen).
Hier sei aber auch ein Dankeschön an meinen Arbeitgeber gesagt, der es mir mit
meiner flexiblen Arbeitszeit erlaubt, Regenpausen bei Unwettern für Hin- und
Rückweg abzupassen. Hin und wieder ist der Regen dann doch zu doll, um
romantisch zu sein.
Wie dem auch sei:
Die meisten der 10.000 km habe ich genauso wie hier beschrieben verbracht und
dafür habe ich mir das E-Bike gekauft. Es mag noch viele weitere Gründe geben,
die bis hier unerwähnt blieben: Es ist offenbar umweltfreundlicher, es tut
meiner Gesundheit gut, es kostet weniger Geld. Wenn ich länger darüber
nachdenke, fallen mir sicher noch mehr Gründe ein, warum es gut ist, mit dem
Fahrrad (E-Bike) zur Arbeit zu fahren. Mein entscheidender Grund aber, warum
ich es tue, ist: es macht mir einfach Riesen Spaß, weil ich jeden Tag das
erlebe, was ich oben beschrieben habe. Klar ist aber auch: gäbe es die
elektrotechnische Unterstützung von dem Fahrrad nicht, würde ich nicht
romantisch über 14 km Gegenwind und Herbstniesel plaudern – ich würde es
einfach nicht tun.
Es war mir ein
Bedürfnis, das einfach mal aufzuschreiben.
Weitere Fakten:
10.000 km ist
etwa die Entfernung zwischen Lühnde und Jakutsk (Ostsibirien)
Von März 2019 bis
heute bin ich exakt 297 Mal mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren.
Für 10.000 km
brauchte ich vier neue Ketten und drei neue Schaltkassetten.
Nach zwei platten
Reifen in einer Woche habe ich mir unplattbare Pneus auf die Felgen gezogen.
Ich danke meinem
Freund Piet, der mich angesteckt hat und mit mir einen Tag lang Fahrradkaufen
war!
Hätte mein
Fahrrad keinen Kilometerzähler, wäre Euch dieser Text erspart geblieben.
Matthias
Brinkmann
Ein wunderschöner Bericht, es ist, als fährt man irgendwie mit. Daumen hoch!
AntwortenLöschenDanke für das Feedback
LöschenYou are the best!♥️
AntwortenLöschenDoppel dreifach Daumen hoch Schnati!
Meine Motivation ab und zu auch mal mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren!
😘
LöschenEin ganz toller Bericht. Für mich ist das E-Bike wie eine Sucht. Ich genieße auch die Natur, vor allem bleibe ich stehen, wenn ich Rehe sehe oder auch Pferde auf den Wiesen grasen. 👍
LöschenFahrradfahren macht Spaß, E-Bike-fahren macht süchtig ... das geht mir genauso!
LöschenRespekt! Und so inspierierend, dass ich heute mit den Kindern gleich mit dem Rad zum Einkaufen fahren musste :-)
AntwortenLöschenPrima, das freut mich ....
LöschenSehr schön geschrieben! 👌
AntwortenLöschenAls jemand, der kein Auto besitzt, bin ich auch sehr viel mit dem Fahrrad unterwegs. Arbeitswege nutze ich dabei meistens, um Podcasts zu hören. Die Strecke, die du da jedes Mal fährst, wäre mir aber wohl zeitlich doch zu lang. 😅
Wobei... Vielleicht sähe die Sache mit einem E-Bike ganz anders aus. 🤔
Danke Louis... das Feedback eines Profis wiegt doppelt ....
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